Christiane John

Joanna Kamm

 

zur Ausstellung Schöne Bilder in Projekt Tafelbild 2000, Kunstverein Leipzig,

 

Schöne Bilder, Christiane John

 

„Wenn es nichts gäbe, das uns überschreitet, das um keinen Preis eintreten dürfte, erreichten wir nie den Augenblick, in dem wir von Sinnen sind, den wir mit all unseren Kräften anstreben, und gegen den wir uns zugleich mit all unseren Kräften wehren.“(1)

 

Die farbenkräftigen Ölbilder von Christiane John sind wie Stoppschilder in der rasenden medialen und digitalen Welt. Vielleicht versucht man, sich mit der Frage, ob die Bilder eigentlich zeitgemäß seien, am Stehenbleiben zu hindern, aber sobald man steht, merkt man, daß dieser Begriff nicht greift.

Christiane John spürt in ihren Bildern etwas nach, das immer zeitgemäß ist. Mit diesen Widerspruch hat man die ambivalente Welt ihrer Bilder betreten.

 

Blumen und Hände schwimmen in roten und grünen Farbflächen, die wie bodenlose Meere erscheinen. Die Farbflächen fließen vor den Augen des Betrachters davon und lassen einen befürchten, daß im nächsten Augenblick im Sog aus dem Nirgendwo alles verschwunden ist. Auch die Blumen und Hände. Sie bewegen sich in einem leeren Raum. Wenn sich der Raum auflöst, verschwinden damit die Gewißheiten. Die Blumen und Hände sind die Präsenz in der Auflösung. Sie sind Symbole einer Vorstellung. Als Symbole im leeren Raum geben sie die Möglichkeit der Projektion, führen einem zu dem „woanders“ und damit zu der Frage, was es ist.

 

Christiane John bewegt sich in dem Bereich zwischen Sichtbaren und Unsichtbaren. Als Malerin ist sie mit Sichtbarem konfrontiert, d.h. sie schafft Fakten, sobald sie Farbe auf die Leinwand aufträgt. Aber sie benutzt die Fakten als Zeichen eines Gedankens, das den Betrachter woanders hintragen soll. Das „woanders“ könnte man im Sinne des Begriffs der „différance“ von Derrida denken: „...die différance bezieht uns auf das, was, auch wenn wir es notwendig nicht wahrhaben wollen, die Alternative von Gegenwart und Abwesenheit überschreitet.“(2) Christiane John malt, um nach dem Namenlosen zu fragen.

 

Die Farbflächen, die einen grenzenlosen homogenen Farbraum erzeugen, in dem keine Orientierung möglich ist, sind für Christiane John die visuelle Umsetzung unserer Gesellschaft, in der eine Festlegung der Identität ebenso vermieden wird wie Stillzustehen. In dieser Gleichförmigkeit tauchen die Blumen und Hände als unmittelbares Ereignis auf, die einen zum Stehen bringen.

Sie scheinen pathetisch in ihrer Unmittelbarkeit. Es ist ein Augenblick, in dem man mit seinem subjektiven Empfinden die objektive Welt verläßt. Aber die Blumen und Hände lassen einen nicht verweilen, es sind Fragmente, Bruchstücke, die ergreifen. Die Bilder verführen nicht mit alternativen Welten, die, wie Vilem Flusser(3) schreibt, insoweit sie als schöne empfunden werden, insoweit auch Realitäten sind, innerhalb derer wir leben.

Christiane John läßt einen in ihren Schönen Bildern nicht leben. Sie zeigt Hände, die auf etwas zeigen, das nicht zu zeigen ist. „Schön“ besitzt die selbe Wurzel wie „Schein“.

 

1 George Bataille „Das obszöne Werk“

2 Jacques Derrida „ Die différance“

3 Vilém Flusser „Digitaler Schein“